Kunst machen Seele stark. Warum ‚machen‘? Der Anklang zu dem inzwischen ‚alten Film‘ ist für manche sofort da: Angst essen Seele auf (von Rainer Werner Fassbinder).
Und das ist, was in dieser Zeit passiert – und, wie von dem Historiker Daniele Ganser prägnant dargestellt, es gibt seit dem Jahresbeginn 2020 unterschiedliche Ängste, deren Träger kaum miteinander sprechen können darüber, was sie bewegt oder besetzt. Angst essen Seele auf, Angst kommt von Enge, wir werden innerlich eng, es stockt das Blut und zieht sich von der Körperperipherie zurück, unsere Wärme strömt nicht mehr so leicht zu andern hin.
Kunst kann heilen, im Sinne der Salutogenese, der ich demnächst einen extra-Beitrag widmen werde.
Fast täglich male ich nicht nur meine kleinen Bilder. Fast täglich beschäftige ich mich mit Kurs-inhalten.
Was vormals selbstverständlich war, ist es nicht mehr. Ich packe nicht meinen Einkaufsrolli mit den Farbkästen, Pinseln und Lappen, überlege nicht mehr, ob am Kursort noch genug Malpapier ist, und breche dann nicht mehr auf, um eine größere oder kleinere Gruppe Menschen zu treffen und mit ihnen in diese so besondere Stimmung hineinzugehen. Die Stimmung, wenn wir gemeinsam still mit Wasserfarben hantieren, kämpfen, sich hingeben, und am Ende neue Werke vor uns liegen.
Stattdessen tue ich das bis Anfang 2020 unvorstellbare: ich sitze an meinem kleinen Laptop und sehe vor mir die Gesichter der erwachsenen Teilnehmer*innen. Sie sind ihrerseits in ihren Räumen. Sie wollen aber eins: sie wollen sich mit Farben beschäftigen und hineingehen in etwas, das anders ist als der Alltag. Sie suchen das Untertauchen in Farbgeschehen. Sie sind auch mutig – sie tun dies allein zu Hause, und ‚kommen dann wieder zusammen‘ und sprechen mit den andern Teilnehmern über das, was in ihrem Bild ‚geklappt‘ hat oder schwierig war.
Meine Hände sind allerdings gebunden. Meine Anteilnahme an dem Malgeschehen ist begrenzt. Ich kann den Weg so gut wie möglich weisen, aber ich gehe nicht mit. Ich sitze hier, wenn die andern Malen. Manchmal male ich auch. Manchmal sitze ich einfach nur da, auch entfernt vom Gerät, und versuche, an alle zu denken, die jetzt beschäftigt sind mit ihren Malvorgängen.
Und doch sind meist die Teilnehmenden nachher ‚besser drauf‘ als vorher, etwas hat sich weiten können, etwas hat Freude gemacht, etwas ist im Künstlerischen entdeckt worden und sei es auch in Form einer Schwierigkeit, aus der man beim nächsten Mal lernen will.
Kunst machen Seele stark. Im Künstlerischen Prozess handeln wir selbständig. In dem durch den Bildschirmkurs vermittelten Zusammenhang, sind die Teilnehmer allein und auf sich selbst gestellt. Jeder Pinselstrich ist selbstverantwortet, erfordert Mut, trifft auf Widerstände, und löst sich manches Mal – oft genug – in freudiges Strömen auf.
Das, was gerade in dieser Zeit, aber auch allgemein in unserer Gesellschaft so selten möglich ist, wird durch künstlerische Betätigung gefördert: eigene Bewegung, eigene Handlung, eigenes Verwirklichen.
Das Ich ernährt und erlebt sich durch die Bewegung, die es aus sich selbst heraus macht. Und nur durch diese. Wir sind – egal wie wir zu der derzeitigen Situation stehen – in unsere Bewegungen gehindert.
So hat jedes künstlerische, seelische Handeln eine homöopathische Wirkung, wenn dies regelmäßig geschieht. Von daher ist der Übungscharakter fortlaufenden Malens (Singens, Tanzens) nicht genug zu betonen.
Was wir tun und wie wir es tun, wirkt auf uns zurück. Dazu mehr im Beitrag Salutogenese.
Danke fürs Mit-fühlen und Mit-denken.